Nackte Engel auf Abwegen in Langengrassau
Besucher reiben sich verwundert die Augen, wenn sie die kleine Kirche in Langengrassau bei Luckau (Dahme-Spreewald) besuchen. Sechs barbusige, nackte Engel schmücken einen goldenen Kronleuchter, der einsam von der Decke hängt. In der Mitte des Leuchters befindet sich ein Amor-ähnlicher Liebesgott.
Der Legende nach stammt der Leuchter aus einem königlichen preußischen Schloss. Ein Bauer des Dorfes soll ihn Mitte des 19. Jahrhunderts als Geschenk von einer Reise mitgebracht haben. "Ich habe in keiner anderen Kirche je einen vergleichbaren Leuchter gesehen", erzählt Annegret Gehrmann, Vorsitzende des Förderkreises "Alte Kirchen der Luckauer Niederlausitz".
Sechs halb nackte Engel halten jeweils zwei Kerzenteller. In der Mitte steht ein Liebesgott auf einer Kugel.
"Der Kronleuchter soll auf ganz außergewöhnliche Weise in die Langengrassauer Kirche gekommen sein", weiß die 46-Jährige. Im Dorf wurde die Geschichte über Generationen hinweg weitergetragen. Annegret Gehrmann erzählt sie gern den Besuchern: "Der Bauer Johann Gottlob Druschke machte auf einer Geschäftsreise in einem Bauernhof Rast, wo er zufällig Zeuge eines Gesprächs wurde, das den Überfall einer königlichen Kutsche zum Inhalt hatte. Da der Bauer ein treuer Untertan und Verehrer des Königs war, machte er sich sofort auf den Weg nach Potsdam, um dort den geplanten Überfall zu melden. Preußische Beamte nahmen die Übeltäter fest und schenkten dem Bauern zum Dank einen Kronleuchter aus einem Potsdamer Schloss. Da der gewaltige Leuchter nicht in die kleine Bauernstube passte, entschloss sich Druschke ihn seiner Kirche zu schenken, in deren klassizistischer Umgebung er auch viel besser zur Geltung kam."
Glitzerschmuck fehlt
"Unter den Engeln befand sich damals ein reicher Behang mit Lüstern – Glaskristalle, die im Kerzenlicht funkelten und den Goldglanz noch verstärkten", weiß Annegret Gehrmann von alten Fotos. Doch der Schmuck verschwand mit der Zeit. "Mehrere Generationen von Konfirmanden konnten seither der Verlockung nicht widerstehen und nahmen sich beim pflichtgemäßen Kirche Putzen zum Andenken ein Stück mit", vermutet sie. Die ungewöhnliche Geschichte findet sich auch im Buch "Himmlische Gefährten" von Antje Keschonski wieder und war ebenso schon Bestandteil einer Fernsehdokumentation. Die Kirche in Langengrassau wurde Ende des 13. Jahrhunderts in der für die Luckauer Region typischen Form gebaut. Sie besteht aus einem Turm, dem Längsschiff und einer halbrunden Apsis. Grundmauern und Teile des Turms sind noch im Originalzustand.
Engagierte Dorfbewohner
Die heutige klassizistische Ausstattung geht auf eine umfangreiche Restauration von 1820 zurück, als die Dorfbewohner in eigener Regie das Gotteshaus erneuerten. "Es ist vom Nagel bis zum Stein alles mit Rechnungen belegt", weiß Annegret Gehrmann aus dem Studium der alten Kirchenakten. Das Engagement der Langengrassauer sei damals sehr groß gewesen. Die letzte Oberflächenrestaurierung fand im Jahr 1965 statt. Für das kommende Jahr ist eine umfangreiche Sanierung des Daches, der Wände und der Fenster geplant.
1821 erhielt die Kirche eine Dresdener Kayser-Orgel, die noch heute in gutem Zustand ist und zum Programm der Konzertserie "Mixtur im Bass" gehört.
Lars Hartfelder
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