Kirche Riedebeck
Die Riedebecker Kirche gehört zu den ältesten im Kirchenkreis Niederlausitz. Es handelt sich um einen spätromanischen Feldsteinquaderbau mit typischer Staffelung aus Ostapsis, eingezogenem quadratischen Chor, rechteckigem Langhaus und einem Westturm in Schiffsbreite. Der Baubeginn wird derzeit um 1220/30 datiert. Etwas später wurde der Turm an das Schiff angesetzt, spätestens aber 1300 fertig gestellt. Apsis und Turm bestehen aus Granitquadern, die Gebäudeecken und verschiedene Formteile wurden in Raseneisenstein ausgeführt. (z.B. der Rundbogenfries an der Apsis sowie die beiden romanischen Rundbogenportale auf der Südseite). Aus der Spätromanik sind die Fenster in Chor und Apsis erhalten, die übrigen hat man um 1960 rekonstruiert.
Obwohl die Riedebecker Dorfkirche im Verlauf des Mittelalters eine von der Gehrener Pfarrkirche abhängige Einrichtung war, weist sie neben ihrer beachtlichen Größe und qualitätvoll ausgeführten Baudetails eine außergewöhnliche Ausstattung auf. Der umfangreiche Wandmalereibestand gehört zu den herausragendsten im Land Brandenburg, gibt aber nach wie vor Rätsel auf. Der größte Teil der Malereien scheint aus der Zeit um 1480 zu stammen und zur gleichen Werkgruppe wie die Malereien in Beesdau, Briesen und Goßmar zu zählen. In der Nordostecke des Kirchenschiffs sind sechs Einzelfiguren zu sehen: (v .links) der Apostel Johannes, Maria Magdalena, Anna Selbdritt, die Heilige Ursula sowie die Apostel Andreas und Bartholomäus (Restaurierung 2011). Auf der gegenüberliegenden Triumphbogenwand erkennt man Reste einer riesigen Kreuzigungsdarstellung. Es handelt sich um die größte bekannte Darstellung dieses Bildinhalts in der Niederlausitz, die dem Typus des volkreichen Kalvarienbergs entspricht: Neben dem Kreuz Christi sind die Kreuze der beiden Schächer aufgestellt, darunter drängen sich Soldaten, Würdenträger und Trauernde. Auf der Südwand daneben sind eine ebenfalls monumentale Darstellung der Georgslegende und der heilige Laurentius zu sehen (2010 restauriert). An der Südwand des Chores gibt es sieben Bildfelder – vermutlich eine Darstellung der sieben Todsünden (oder Laster). Sie werden durch Frauen personifiziert, die auf Tieren reiten, während sich von hinten jeweils eine Teufelsgestalt nähert. Links oberhalb dieses Registers sind Reste einer älteren Ausmalung erhalten - drei schmale Felder mit stehenden Figuren. Im Gewölbe der Apsis thront auf sternenbesätem Hintergrund Christus als Weltenrichter zwischen Maria und Johannes (sogenannte „Deesis“). Neben Johannes befindet sich die Darstellung einer sog. Butterhexe, darüber erkennt man posauneblasende Engel und unter diesen die Verdammten und die Seeligen. Zwischen den Apsisfenstern handelt es sich vermutlich um zwei Apostel, links Philippus (mit Kreuz) und rechts Judas Thaddäus (mit Keule).
1959-64 fanden unter Leitung des damals zuständigen Instituts für Denkmalpflege Dresden umfangreiche Sanierungsarbeiten an der Kirche statt. Man legte die mittelalterlichen Wandmalereien im Schiff frei, was offensichtlich den Anstoß zum Rückbau der Kirche im Sinne der Romanik gab. Die barocke Innenausstattung einschl. Emporen wurde entfernt, und wesentliche Teile davon (Altar, Taufengel) befinden sich heute in der Kirche von Werben im Spreewald. Im Turm steht noch der sog. Pastorensitz, der auch im Barock noch als evangelischer Beichtstuhl gedient haben dürfte. Auch die in jener Zeit vergrößerten Kirchenfenster wurden wieder in ihrer spätromanischen Gestalt rekonstruiert. Seitdem jedoch ließen immer wieder auftretende Schäden am Dach Schmutzwasser eindringen. Dadurch wurden weite Bereiche der Wandmalereien unwiederbringlich zerstört, und schließlich breitete sich echter Hausschwamm aus, sodaß die Kirche 1995 durch das Kirchliche Bauamt gesperrt werden mußte. 1995-98 fand eine umfangreiche Sanierung von Dach und Mauerwerk statt, bei der auch die flache Holzbalkendecke eingebaut wurde. 2003 konnten die Kirchenfenster im Schiff und die Schall-Luken am Turm repariert werden, und 2010 gelang eine aufwendige Wandsanierung im Kirchenschiff, zunächst mit Ausnahme der östlichen Triumphbogenwand.
Während der Sanierungsarbeiten Anfang der 60er Jahre entdeckte man im Chorraum einen mittelalterlichen Ziegelfußboden. Stilistisch und herstellungstechnisch ist er in das späte 13. bzw. frühe 14. Jahrhundert einzuordnen und könnte damit die Vollendung des Kirchenbaus markieren. Etliche der Backsteinfliesen weisen noch heute eingetiefte Reliefs mit folgenden Motiven auf: stilisierter Adler mit links gewendetem Kopf und ausgebreiteten Schwingen (Symbol der Auferstehung und der Taufe), Hakenkreuz/Rune (in romanischem Zusammenhang unheilabwendendes Symbol, speziell Schutzmittel gegen den Teufel) sowie ein siebenzackiger Stern in einem Kreis.
Beide in Riedebeck vorhandenen Altartische (Mensen) stammen aus dem Mittelalter. Jener in der Apsis wurde aus Raseneisenstein aufgemauert und besitzt eingeritzte Weihekreuze. Vor dem Triumphbogen steht ein spätmittelalterlicher Schnitzaltar aus der Zeit um 1500. In seinem Zentrum steht Anna Selbdritt, begleitet von der heiligen Barbara und der heiligen Margaretha. Das Kruzifix im sog. „Gesprenge“ zwischen Maria und Johannes stammt bereits aus der Zeit um 1400. Auf den Rückseiten der Altarlügel sind Reste einer Malerei mit Maria und dem Verkündigungsengel zu erkennen. Dieses Retabel (und ebenso das im benachbarten Goßmar) zeugt vom Einfluß schlesischer Werkstätten in der Niederlausitz zur Zeit der Jagiellonen, die um 1500 eines der größten Königreiche des Mittelalters beherrschten. Es reichte vom Baltikum zum Schwarzen Meer und zur Adria. Ab etwa 1490 gehörte auch die Niederlausitz zum Jagiellonenreich, weshalb hier zahlreiche Flügelaltäre entstanden, die sehr eng verwandt sind mit Zeugnissen schlesischer Werkstätten.
Im Chorbereich steht eine große romanische Sandsteintaufe, die Anfang der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts aus Crinitz hierher umgesetzt wurde.
(Annegret Gehrmann 2013)
Quellen:
- Mittelalterliche Wandmalerei in Brandenburg, Bd. 1: Der Südosten - die
brandenburgische Lausitz; Wernersche Verlagsgesellschaft und BLDAM 2010
- Jung/ Spatz: Die Kunstdenkmäler der Prov. Brandenburg, Berlin 1917
Band 5, Teil 1: Kreis Luckau
- Dehio: Handbuch der dt. Kunstdenkmäler, Berlin 1987
Bezirke Cottbus und Frankfurt/ Oder
- Anja Kaltofen: „Baugeschichtliche Untersuchungen an der Luckauer Stadtkirche
St. Nikolai“
Einsichten. Archäologische Beiträge für den Süden des Landes Brandenburg, 2001
- M. Agthe/ Fischer/ Kirsch: „Baugeschichtliche Beobachtungen an der Dorfkirche zu Riedebeck, LDS Einsichten. Archäologische Beiträge für den Süden des Landes Brandenburg, Heft 12/ 2003
- Hans Burger: „Die Bilderbibel an der Kirchenwand. Spätgotische Wandmalereien im Süden Brandenburgs“, Heft „Offene Kirchen“ 2003; FAK BB
- Dirk Jacob: „Die Aufstellung des spätgotischen Schnitzretabels aus der Dorfkirche in Riedebeck“ Dokumentation, 2002 kircheneigene Akten
- kircheneigene Akten
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